Testcenter von Nokian Tyres in Spanien

“Der Hakka Ring wirkt wie ein Katalysator für künftige Produktentwicklungen”

Nokian Tyres Hakka RingIm Besucherzentrum des Hakka Rings befinden sich unter anderem ein Catering-Bereich und ein Auditorium für bis zu 80 Personen.  Foto: Daniel Willrich

Knapp drei Jahre hat es von der Grundsteinlegung bis zur Inbetriebnahme gedauert: Seit 2021 kann Nokian Tyres die Möglichkeiten seines Hakka Rings vollumfänglich nutzen. Wie viele andere Großprojekte der Branche hatte sich auch die Eröffnung des Testzentrums Corona-bedingt verzögert, doch seit knapp zweieinhalb Jahren läuft der Betrieb. Anfang März nun lud der Reifenhersteller Fachjournalisten, Kunden und Händler aus ganz Europa ein, um den Hakka Ring offiziell zu präsentieren. Von der spanischen Hauptstadt Madrid aus ist Santa Cruz de la Zarza in etwa einer Stunde zu erreichen. 

Vor Ort ist den Verantwortlichen die Freude über die neuen Test- und Entwicklungsmöglichkeiten allerseits anzumerken. Diese sind für Nokian Tyres bereits seit jeher von großer Bedeutung. Eigenen Angaben zufolge entfallen knapp die Hälfte der F&E-Kosten des Reifenherstellers auf Aufwendungen für Tests. Die Kosten für den Bau des Hakka Rings beliefen sich auf mehr als 60 Millionen Euro. Auf einem 300 Hektar großen Areal sind für diese Summe insgesamt zehn Teststrecken zur Prüfung unterschiedlicher Kriterien entstanden. Neben klassischen Brems- und Handlingtests auf nasser und trockener Piste werden auch Elemente wie der Komfort geprüft. 

Für exakt zu ermittelnden Werte wie etwa der Länge des Bremswegs oder des Außengeräuschs setzt Nokian Tyres auf technisches Equipment. Ebenso fließen jedoch subjektive Eindrücke und Rückmeldungen von versierten Testfahrern in die Reifenentwicklung mit ein. Wie diese Experten arbeiten, kann die Redaktion während unseres Besuchs vor Ort “erfahren”. An der Seite eines Fahrers geht es zügig über die etwa 1,5 Kilometer lange und bewässerte Nass-Handlingstrecke. Die Fahrer haben das Nokian-bereifte Fahrzeug stets unter Kontrolle und führen das auch auf die Produktqualität zurück: “Wirklich fantastisch” seien die Reifen, “sehr griffig und leicht zu kontrollieren”. 

“Comeback” im Sommer- und All-Season-Segment

Wie gut die Profile tatsächlich sind, ist während unseres kurzen Besuchs natürlich nur bedingt zu beurteilen. Für die einschlägigen Tests der Saison standen die Neuheiten noch nicht zur Verfügung, sodass auch diesbezügliche Qualitätsbeurteilungen noch auf sich warten lassen. In Kürze ist das Reifentrio bestehend aus den Sommerspezialisten Wetproof 1 und Powerproof 1 sowie dem Allrounder Seasonproof 1 auf jeden Fall im Handel verfügbar. Seitens der Verantwortlichen werden die Reifen mit jeder Menge Überzeugung in den Markt geschickt. "Mit ihrem verbesserten Grip und Handling und ihrer erhöhten Verschleißfestigkeit bieten unsere Sommer- und Ganzjahresreifen Fahrern ein Höchstmaß an Vertrauen, Sicherheit und Ruhe auf ihren Reisen”, betont etwa Martin Dražík, Produktmanager für Mitteleuropa bei Nokian Tyres.

Mit den beiden neuen Sommerreifen will der finnische Hersteller seine im Winter-Segment unbestrittenen Kompetenzen nun auch in dieser Produktgattung unter Beweis stellen. Der Seasonproof 1 soll es dem Konzern darüber hinaus ermöglichen, vom anhaltenden Wachstum bei Ganzjahresreifen zu profitieren. Tommi Alhola, Vice President PCT Central Europe bei Nokian Tyres, ordnet ein: “Diese die Produkte sind wichtig, weil wir aufgrund des Rückzugs aus Russlands und unserer angepassten Produktionskapazitäten für mehr als ein Jahr nicht wirklich präsent im Sommer- und All-Season-Segment waren. Die ersten Produkte sind also Teil unseres Comebacks in diesem Segment – und es sollen noch weitere folgen.” 

Alle drei neuen Reifen wurden auf dem Hakka Ring ausgiebig geprüft. In Spanien müssen sich die Profile während der Entwicklung auch auf verschiedenen Fahrbahnbelägen – etwa auf glattem und rauem Asphalt oder auch auf holprigen Abschnitten mit Schlaglöchern – beweisen, um in unterschiedlichen Ländern vollends überzeugen zu können. Highlight der Prüfungen ist zudem die sieben Kilometer lange Ovalstrecke mit fünf Spuren, die Geschwindigkeiten bis zu 300 km/h erlaubt. “Die Hochgeschwindigkeitstests auf der Ovalstrecke fordern die Grenzen der Belastbarkeit heraus”, heißt es seitens der Verantwortlichen. 

Ganzjährige Tests “mit allen Freiheiten”

Der Hakka Ring bietet Nokian Tyres die Möglichkeit, ganzjährig Tests durchzuführen und sowohl Sommer-, wie auch Winter- und Ganzjahresreifen zu prüfen. Speziell jahreszeitliche Einschränkungen, wie es sie auf den beiden Unternehmensstrecken unweit der Zentrale in Nokia sowie in Ivalo nördlich des Polarkreises gibt, spielen in Santa Cruz de la Zarza kaum eine Rolle. Gleichwohl kann auch in Spanien das Wetter die Prüfvorgänge beeinflussen. Von Minusgraden in den Wintermonaten bis +40 °C im Hochsommer reicht die Temperaturspanne, innerhalb derer sich die Reifen beweisen müssen. Nur wenige Tage vor unserem Besuch fiel auch auf dem knapp 800 Meter über NN gelegenen Hakka Ring Schnee. Das ist allerdings eher die Ausnahme und die Witterungsverhältnisse sind besser planbar. 

Mit dem Hakka Ring macht Nokian Tyres seine Testmöglichkeiten nicht nur unabhängiger von den Jahreszeiten, sondern auch von anderen Prüfstrecken. In Santa Cruz de la Zarza ist man Herr im eigenen Hause und kann frei über die vorhandenen Optionen verfügen. Bislang musste sich der Reifenhersteller für seine Entwicklungstests mitunter auf anderen Prüfarealen auf der ganzen Welt einmieten und war terminlich entsprechend weniger flexibel. Seit 2021 ist dies nicht mehr nötig, womit auch die entsprechenden Kosten und der hohe logistische Aufwand entfallen. “Mit diesem Gelände haben wir wirklich alle Freiheiten”, bringt es Test Manager Dietmar Damm auf den Punkt.  

Diese Freiheiten will Nokian Tyres für künftige Produktentwicklungen gezielt nutzen. “Der Hakka Ring wirkt wie eine Art Katalysator”, ist sich Tommi Alhola sicher. Neben dem Ausbau der Sommer- und All-Season-Range hat Alhola dabei auch künftige Veränderungen in der Reifenentwicklung im Blick. Seinen Angaben zufolge könnten auf dem Hakka Ring künftig auch “digital erweiterte” Reifen – also solche, die durch Sensoren und Chips in der Lage sind, zu kommunizieren – entwickelt und getestet werden. 

Finnland-Feeling und Nachhaltigkeit

Auf dem Areal finden sich darüber hinaus auch Lagergebäude sowie fünf Garagen, in denen etwa Reifenwechsel und kleinere Servicearbeiten durchgeführt werden können. Auch Ladestellen für E-Fahrzeuge sowie Büroeinheiten mit Mini-Küchenzeilen sind dort vorhanden. Der zentrale Komplex des Hakka Rings ist jedoch das zweistöckige Besucherzentrum. Dieses beinhaltet unter anderem einen Catering-Bereich, ein Auditorium mit Platz für bis zu 80 Personen sowie zwei Meeting- und Konferenzräume. Mit einer traditionellen finnischen Sauna stellt Nokian Tyres zudem seine Heimatverbundenheit zur Schau. Der Reifenhersteller nutzt das Gebäude für geschäftliche Treffen und Events, aber auch für interne Briefings und Weiterbildungsmaßnahmen. 

Am Beispiel des Besucherzentrums zeigen sich zudem die Nachhaltigkeits-Bemühungen von Nokian Tyres. Für seine energieeffiziente und innovative Bauweise erhielt das Gebäude im Rahmen einer LEED-Zertifizierung die höchstmögliche Stufe “Platin”. Darüber hinaus erzeugen mehr als 1.000 über das gesamte Gelände verteilte Solar-Paneele Ökostrom, während aufgefangenes Regenwasser zur Bewässerung genutzt wird. Das auf den Nässeteststrecken verwendete Wasser wird ferner nach Angaben der Verantwortlichen zu 93 Prozent wiederverwendet. Vogelnistkästen und Baumpflanzungen im Umfeld der Teststrecke sowie regionale Forschungsprojekte zu möglichen Alternativen für Naturkautschuk ergänzen die Nachhaltigkeits-Initiativen. Damit entspricht auch der Hakka Ring dem Anspruch von Nokian Tyres, den Tommi Alhola gegenüber unserer Redaktion wie folgt zusammenfasst: “Nachhaltigkeit ist bei Nokian Tyres Teil des Gesamtbildes. Für ein Unternehmen wie uns kann Nachhaltigkeit ein strategischer Vorteil sein. Deswegen bauen wir in Rumänien bereits eine CO2-freie Fabrik. Zudem interessieren sich Verbraucher immer mehr für dieses Thema. Das passt also alles gut zusammen.”

Nokian Tyres Hakka Ring
Nokian Tyres Hakka Ring
Nokian Tyres Petri Niemi
Nokian Tyres Hakka Ring
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