Pirelli in der DTM

“Nachhaltigkeit und Prestige beißen sich nicht”

Pirelli DTMMitte Oktober endete am Hockenheimring die DTM-Saison 2023.  Foto: Kay Lehmkuhl

Man mag die DTM durchaus der “alten” Motorsportwelt zuordnen. Wummernde Motoren, Benzingeruch und – wie Ex-Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug in der Bild-Zeitung kürzlich provokant formulierte – “sinnlos verheizte Reifen” stehen für das, was für den Großteil der Fans die Faszination ausmacht(e). Motorsport soll ein Spektakel sein, das alle Sinne anspricht. Die automotive Welt befindet sich aber bekanntlich im Wandel, und mit ihr der Motorsport. Das Thema “Nachhaltigkeit” definiert längst auch zentrale Parameter im Zielkorridor der Entwicklungsarbeit für die Rennpiste. Will der Motorsport auch in Zukunft noch relevant sein, muss er sich modifizieren, ressourcenschonender werden.

Einen Technologietransfer für eine “grünere” automobile Zukunft wollen die beteiligten Fahrzeughersteller, Teams und präsenten Zulieferer ermöglichen. Auch in der DTM, in der Pirelli als Reifenausstatter seit dieser Saison auftritt. Hierzu passt auch die Info, dass die Pirelli-Reifen in der Formel 1 ab 2024 FSC-zertifiziert sind. "Die 'Forest Stewardship Council'-Zertifizierung garantiert die lückenlose Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe aus der Forstwirtschaft über die gesamte Lieferkette und stellt sicher, dass die Plantagen, aus denen die natürlichen Bestandteile stammen, so bewirtschaftet werden, dass die biologische Vielfalt erhalten bleibt und die Lebensbedingungen der lokalen Gemeinden und Arbeiter verbessert werden, was gleichzeitig ihre wirtschaftliche Nachhaltigkeit fördert", so der italienische Reifenhersteller. 

DTM ist “Bühne, technologische Kompetenz zu zeigen”

Die DTM ist hierzulande noch immer eine der beliebtesten Rennserien. Und sie kann ein wertvolles Tool für einen Reifenlieferanten wie Pirelli sein. Die Rennboliden basieren auf Serienfahrzeugen, die DTM ist “eine Bühne, technologische Kompetenz zu zeigen”, sagt Wolfgang Meier, CEO der Pirelli Deutschland GmbH. Sicher an Bedeutung und Punch verloren hat der Marketingaspekt. So viel Aufmerksamkeit und Präsenz für eine Reifenmarke, wie noch in den Zeiten der öffentlich-rechtlichen Live-Berichterstattung, sichert die Serie nicht mehr. Und auch ein DTM-Finale schafft es nicht mehr, den Hockenheimring zu füllen. Dennoch ist das Pirelli-Engagement nicht nur aus Sicht Meiers nachvollziehbar. “Motorsport ist in der Pirelli-DNA verankert”, so Meier – jeder Branchenkenner würde dies nicht nur aufgrund der jahrelangen Erfahrungen der Marke in der Königsklasse Formel 1 bestätigen. Das DTM-Sponsoring sichert zudem die Nähe zu Automobilherstellern im Prestige-Segment. Mercedes AMG, Audi, Porsche, BMW, Ferrari, Lamborghini – glanzvolle Namen, die seit jeher maximale Performance bedeuten. 

OEM-Nähe, Technologietransfer, Imageaufbau

Aber wie verhält es sich mit der Vereinbarkeit eines solchen Engagements mit Nachhaltigkeitsbestrebungen? Wolfgang Meier sieht im Gespräch mit Automotive Insights keinen Konflikt: “Nachhaltigkeit und Prestige beißen sich nicht.” Dass Pirelli auch in den neuen Mobilitätsfeldern wie der Elektromobilität als Reifenakteur maßgeblich mitgestaltet, belegen die zahlreichen Erstausrüstungspartnerschaften in diesem Bereich – eben auch mit jenen Herstellern, die sich in der DTM im Grenzbereich beweisen. Die Argumentationslinie OEM-Nähe, Technologietransfer, Imageaufbau ist wirksam. Pirellis Übertragung in die Serien nennt sich übrigens Elect. Seit Einführung im Jahr 2019 erhielt die Elect-Technologie bereits über 300 Homologationen. Aus der Zentrale in Mailand heißt es bekräftigend: “Die Führungsposition, die wir im Bereich der Elektromobilität erreicht haben, unterstreicht die Innovationskraft unserer Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Pirelli ist der einzige Hersteller, der eine Querschnittstechnologie für Elektroautos entwickelt hat, die auch auf andere Produktlinien übertragbar ist.” Und auf Hochleistung ist Pirelli ja ohnehin gepolt.

Bei dem Profil Pirelli P Zero E kommt laut den Verantwortlichen alles zusammen: Performance und Nachhaltigkeit. “Als erster Reifen besteht er zu mehr als 55 Prozent aus natürlichen und recycelten Materialien. Zudem erhielt er als einziger UHP-Reifen auf dem Markt für das gesamte Sortiment eine dreifache A-Bewertung auf dem EU-Reifenlabel”, so Meier. So viel also zum Thema Nachhaltigkeit und neue Mobilität. Und die “alte” in der DTM sichtbare Welt? Ist in Transformation, alles im Fluss. Die im Mai vom Porsche-Piloten Thomas Preining formulierte Schwierigkeit, die Pirelli-Gummis auf Temperatur zu bringen, ist übrigens mittlerweile bedeutungslos: Preining ist der neue DTM-Gesamtsieger der Saison 2023. 

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