Prof. Benedikt Maier zur Zukunftswerkstatt 4.0

Werkstattgeschäft der Zukunft

Prof. Benedikt MaierProf. Benedikt Maier wirbt für die Zukunftswerkstatt 4.0.  Foto: iFA

Herr Prof. Maier, die Zukunftswerkstatt 4.0 soll “die Location für Innovatoren im Kfz-Gewerbe” sein. Der proaktive Zukunftstransfer steht im Mittelpunkt, heißt es auf Ihrer Homepage. Was steckt hinter dem Konzept und was war der Ursprung der Idee Zukunftswerkstatt 4.0?

Benedikt Maier: Ins Leben gerufen wurde die Zukunftswerkstatt 4.0 im Rahmen des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg. Nach der Ausgründung steht sie auf eigenen Beinen und wird von der Deutschen Automobil Treuhand (DAT), der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) und dem Institut für Automobilwirtschaft (IfA) getragen.

Hierzu werden die Strukturen eines klassischen Autohausbetriebs realitätsgetreu und praxistauglich abgebildet, das räumliche Setting beinhaltet etwa Empfang, Showroom und Werkstattbereich und bildet damit den Rahmen. Inhaltliche Orientierung bieten die Kundenprozesse im Sales und Aftersales. Zu jedem Prozessschritt können sich Besucher:innen über innovative Technologien unserer rund 130 Partner informieren und diese zeitgleich erproben. 

Autohäuser und Werkstätten müssen in der sich vollziehenden Transformation des Servicegeschäftes eine Vielzahl an Herausforderungen bewältigen. Welche sind Ihrer Ansicht nach die Größten?

Benedikt Maier: Wir gehen derzeit davon aus, dass die Automobilwirtschaft in Deutschland vor einem tiefgreifenden Wandel steht, der durch eine Vielfalt von Veränderungstreibern geprägt sein wird. Dazu zählen sicherlich technologische Themen wie die Elektrifizierung des Antriebsstrangs, Fahrzeugkonnektivität, Fahrerassistenzsysteme bzw. teil- oder vollautonomes Fahren. Aber auch ein verändertes Kundenverhalten, die Digitalisierung von Prozessen, Produkten und Kommunikation, die Veränderung der Wettbewerbsbedingungen sowie Nachhaltigkeitsaspekte spielen eine Rolle.

Gewähren Sie uns bitte einen Einblick – wie werden Prozesse im Kfz-Servicegeschäft in der Zukunftswerkstatt “simuliert”?

Benedikt Maier: Entwicklungsarbeit für Technologien und Prozesse liegt grundsätzlich bei den Partnern. In der Zukunftswerkstatt 4.0 werden einzelne Lösungen in die jeweilige Customer Journey integriert und dabei mögliche Schnittstellen zu vor- oder nachgelagerten Schritten identifiziert. Dabei wird je nach Anwendung mit Dummydaten oder echten Messdaten gearbeitet.

Das Konzept lebt wesentlich vom Partnernetzwerk und der Mithilfe von Branchenakteuren. Wer zählt dazu und wie bringen sich die Partner ein?

Benedikt Maier: Rund 130 Partner – darunter Werkstattausrüster, Automobilhersteller und -zulieferer, Technologiedienstleister, Prüforganisationen, Teilegroßhändler, Start-ups, Verbände und Fachmedien – machen die Zukunftswerkstatt 4.0 zu einem einzigartigen Innovation-Hub. Ebenso gehören zahlreiche Automobilhandelsgruppen und Werkstätten dem Netzwerk an. Die Partner vereint eines: Sie gestalten die Zukunft des Kfz-Gewerbes proaktiv. Je nach Intensität des Engagements unserer Partner unterscheiden wir zwischen Strategischen Partnern, Systempartner und Innovationspartnern.

Wie finanziert sich die Arbeit der Zukunftswerkstatt?

Benedikt Maier: Das Projekt Zukunftswerkstatt 4.0 hat eine Anschubfinanzierung vom Land Baden-Württemberg erhalten und finanziert den laufenden Betrieb durch Kooperationen mit derzeit rund 130 Partnern aus der Branche und durch die Vermietung der Location.

Der „Innovationsradar“ ist als Webtool ein zentraler Baustein. Was bietet dieser?

Benedikt Maier: Das Innovationsradar ist eine Wissensdatenbank, in der die vor Ort integrierten Technologien und Anwendungen digital abgebildet werden. Das interaktive Webtool macht relevante Trends und Zusammenhänge leicht verständlich zugänglich. Die intuitiv bedienbare Visualisierung entlang der Customer Journey im Sales und Aftersales ermöglicht Fachkräften ein zielgerichtetes Ansteuern von Antworten auf ihre Fragen aus dem Tagesgeschäft. Das Innovationsradar ist kein Lehrbuch. Vielmehr werden konkrete Lösungen zur Umsetzung der Autohausprozesse konkret benannt.

Ihre Weiterbildungsangebote sollen helfen, Betriebe und deren Mitarbeiterschaft zukunftsfähig zu machen. Die Transformation verändert auch die Beschäftigtenstruktur des Kfz-Gewerbes. In welcher Form? Und kann die Zukunftswerkstatt 4.0 auch beim Thema Fachkräftemangel unterstützend wirken und Impulse liefern?

Benedikt Maier: Vor dem Hintergrund der bereits genannten Herausforderungen wird es in vielen Bereichen des Kfz-Gewerbes zu quantitativen und qualitativen Beschäftigungseffekten kommen. So wird der Personalbedarf selbst unter Annahme eines weiter wachsenden Markts nicht auf dem heutigen Niveau bleiben. Insbesondere in den Zentralabteilungen werden dann weniger Beschäftigte benötigt, gefolgt von den Bereichen Handel sowie Werkstatt und Teile. 

Die Akteure des Kfz-Gewerbes haben bereits erkannt, dass sie die Veränderungen und sich neu entwickelnde Handlungsfelder für sich nutzen müssen. Beispielsweise bietet die Digitalisierung von Fahrzeugen die Möglichkeit, den intensiven Datenaustausch zwischen Pkw und Kfz-Betrieb für eigene Prozesse einzusetzen. Des Weiteren sind Fahrzeuge mit elektrischem Antriebsstrang zwar weniger reparatur- und wartungsintensiv, aber sie machen auch das Erschließen neuer Einnahmequellen möglich, beispielsweise den Verkauf von Ladetechnik. Digitalisierte Geschäftsprozesse erlauben darüber hinaus eine Steigerung der Effizienz interner Abläufe, etwa hinsichtlich der Kommunikation, aber auch hinsichtlich der Interaktion mit Kund:innen. Und neue Vertriebsmodelle bieten die Chance, Interessent:innen und Kund:innen neue attraktive Angebote zu unterbreiten und so neue Abnehmer:innen zu gewinnen.

Die Zukunftswerkstatt 4.0 kann als neutrale Plattform fungieren, auf welcher ein abgestimmtes Zusammenwirken der unterschiedlichen Akteure praktisch erprobt und umgesetzt werden kann.

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