Alcar-Produktionsstandort Neuenrade

Zuversicht aus Überzeugung

Alcar NeuenradeEtwa 3.500 Räder können in Neuenrade pro Tag produziert werden.  Foto: Alcar

Dass der Industriestandort Deutschland an Attraktivität und damit im internationalen Vergleich auch an Bedeutung zu verlieren droht, wurde in der jüngeren Vergangenheit von verschiedenen Seiten angemahnt. Mit Blick auf die Automotive-Branche drückt sich diese Entwicklung in einer Vielzahl an Werksschließungs- und Stellenabbauplänen in bisher nicht gekanntem Umfang aus. Häufig ist es ein Mix aus Gründen, aus dem sich das Management eines Konzerns zu derartigen Schritten gezwungen sieht. Fakt ist jedoch: Die kleinteilige Bürokratie und die immens gestiegenen Kosten für Energie belasten nahezu alle Unternehmen. 

Erdgas ist alternativlos

In welchem Maße diese Faktoren den unternehmerischen Alltag beeinflussen, wird bei unserem Besuch bei der Alcar Leichtmetallräder Produktion GmbH in Neuenrade deutlich. Am Hauptproduktionsstandort der Alcar Gruppe werden in fünf Öfen pro Monat rund 900 Tonnen Aluminium verflüssigt und in den benachbarten Gieß-, Fräs- und Drehmaschinen zu Designs der Marken AEZ, Dezent und Dotz verarbeitet. Die Temperaturen von über 700 °C, die für das Schmelzen des Aluminiums vonnöten sind, sind einer der Gründe, warum die Räderherstellung so energieintensiv ist. Wenn sich die Kosten für das in den Öfen verfeuerte Erdgas sowie für Strom – mit dem unter anderem die Gießmaschinen und die Druckluftkühlung betrieben werden – dann innerhalb weniger Monate vervielfachen, ist das ein kaum zu kompensierender Faktor. “Die Marktpreise sind katastrophal. Wir zahlen aktuell pro Jahr fünf Millionen Euro nur für Energie “, berichtet Carsten Hellwig, Geschäftsführer der Alcar Leichtmetallräder Produktion GmbH.

Wirtschaftlich vertretbare Alternativen zur gegenwärtigen Energieversorgung gibt es nach Aussage der Alcar-Verantwortlichen aktuell (noch) nicht. “Aufgrund der von uns benötigten Energiemenge sowie des hohen Effizienzgrades kommt keine andere Versorgung als Gas infrage”, erläutert Alexander Stüke. In seiner Funktion als Energie- und Umweltmanager ist Stüke aktuell besonders gefordert. Das Unternehmen bemüht sich gegenwärtig gemeinsam mit benachbarten Firmen um eine Photovoltaikanlage, um zumindest einen Bruchteil seines Energiebedarfs kostengünstiger decken zu können. An dieser Stelle macht sich dann jedoch der zweite vielfach thematisierte Belastungsfaktor bemerkbar. “Wir sind seit fast einem Jahr mit der Genehmigung für die Anlage beschäftigt”, sagt Carsten Hellwig. “Für die geplante Anlage auf dem Dach erhalten wir zudem anders als bei einer Anlage auf einer Freifläche keine Förderung”. Entsprechend steht das Thema auch im neuen Jahr weiter oben auf der Agenda der Verantwortlichen.   
                                 

Vereinte Personalsuche

Als Folge der gestiegenen Energiekosten hat auch Alcar in der jüngeren Vergangenheit seine Preise sowohl für Aluminium- als auch für Stahlräder erhöht. Allerdings betont Carsten Hellwig: “Gestiegene Produktionskosten können nicht einfach an unsere Kunden weitergegeben werden.” Stattdessen setze man in Neuenrade auf “viele kleine Stellschrauben zur Kostenoptimierung". Dabei sind sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt, denn die Summe der Einsparungen ist entscheidend. Darüber hinaus wird noch stärker als zuvor auf die Produktionsauslastung und den tatsächlichen Bedarf geachtet. Die Kapazität von 1,2 Millionen Rädern wird aktuell nicht komplett ausgereizt. Im Jahr 2022 wurden rund 800.000 Räder in Neuenrade produziert. 

In diesem Zuge setzt das Unternehmen verstärkt auf Automatisierung und intelligente Arbeitsprozesse. Effizienzsteigerungen sind jedoch nur ein Teil dessen, worauf der Räderhersteller mit dieser Strategie abzielt, wie Carsten Hellwig berichtet: “Dieser Schritt hin zu einem verstärkten Robotereinsatz ist für uns mit Blick auf die Personalsuche notwendig. Wir finden immer schwieriger Leute, die in der Produktion arbeiten wollen.” Dies betreffe sowohl Fachpersonal als auch Nachwuchskräfte und fordere andere ortsansässige Unternehmen gleichermaßen. Aus diesem Grund hat sich Alcar mit sieben weiteren Neuenrader Betrieben zusammengeschlossen, um das Thema mit vereinten Kräften anzugehen. Gemeinsam werden unter anderem Infoveranstaltungen in Schulen durchgeführt. Des Weiteren hat der Alcar-Standort einen eigenen Azubi-Werbespot produziert, um diesen in regionalen Kinos vorzuführen.

Grund zu Optimismus

Aktuell beschäftigt die Alcar Leichtmetallräder Produktion GmbH rund 200 Mitarbeitende, darunter erstmals zwei Azubis im IT-Bereich. “Allen Mitarbeitern bieten wir unter anderem die Möglichkeit der Nutzung von geleasten Business Bikes sowie die Teilnahme an Fitness- und Sport-Kursen an”, so der Geschäftsführer.

Trotz der genannten Herausforderungen, die sich in den Bereichen Energie und Personal ergeben, blicken Hellwig und das gesamte Alcar-Team zuversichtlich in die Zukunft. Das hat vor allem mit dem eigenen Produkt und dessen Positionierung zu tun. “Das Alurad ist für den Massenmarkt alternativlos", konstatiert Hellwig. Zudem sieht man sich bei Alcar insbesondere für das wachsende Segment der Crossover Utility Vehicle (CUV) gut aufgestellt. “Entscheidend ist auch dabei unser USP aus Verfügbarkeit, Vielfalt und Flexibilität", führt Hieronymus Tupay, Head of Corporate Communications bei der Alcar Wheels GmbH, aus. Schlanke Strukturen, kurze Entscheidungswege und auch der regelmäßige Austausch mit der Produktion in der Schweiz bilden dafür die Basis. 

Dass dieser Ansatz der richtige ist, sehen die Verantwortlichen durch Rückmeldungen von Geschäftspartnern bestätigt. Auch die Tatsache, dass Alcar mit mehreren Marken am Markt agiert, hat zur positiven Entwicklung beigetragen. "Mit unserer Mehrmarkenstrategie sind wir in den letzten Jahren gut gefahren. Es ist zwar mehr Aufwand und komplexer in Kommunikation und Marketing, ging für uns aber auf", bilanziert Tupay erfreut. Alcar scheint gerüstet für ein Jahr, das speziell für die Automotive-Branche erneut viele Unwägbarkeiten bereithalten dürfte. (dw)

Hieronymus Tupay Alcar
Alcar Neuenrade
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